Entwicklung der hessischen Weiterbildung vor der Pandemie

1 Ausgangspunkt

Im Zentrum dieses Beitrags steht die Frage nach Entwicklungen von Weiterbildungsanbietern und -programmen zwischen 2015 und 2019, aber auch die Prüfung der Datenlage insgesamt, um die Möglichkeit eines kontinuierlichen Weiterbildungsmonitorings einzuschätzen. Dabei lehnen sich die folgenden Darstellungen und Analysen eng an das entsprechende Kapitel des 2022 erschienenen Hessischen Weiterbildungsberichts an (vgl. LAKU 2022), dessen Relevanz und Reichweite abschließend diskutiert wird. Anknüpfend an die Empfehlungen des Weiterbildungsberichts 2015 (vgl. Landeskuratorium für Weiterbildung und Lebensbegleitendes Lernen 2016), die u. a. auf eine Stärkung der Weiterbildungsstrukturen im ländlichen Raum, eine genauere Beobachtung einzelner Inhaltsbereiche in der Weiterbildung und im Besonderen die Grundbildungsangebote abzielen, werden u. a. regionale und inhaltsbezogene Entwicklungen in der hessischen Weiterbildungslandschaft in den Blick genommen.

Zunächst ist einzuräumen, dass die Datenlage zur Entwicklung der hessischen Weiterbildungslandschaft, auf die dieser Beitrag aufbaut, insgesamt deutlich ausbaufähig ist. Dies trifft in ähnlicher Weise auf die Daten zu Anbieterstrukturen in Deutschland insgesamt zu, wobei Probleme der Abgrenzung von Weiterbildungseinrichtungen, die Weiterbildung als ihr Kerngeschäft definieren, und anderen Organisationen, die ebenfalls Weiterbildung anbieten, das aber nur als Teilbereich ihres Tätigkeitsspektrums sehen, als ein zentrales Problem genannt werden kann. Ein weiterer Grund dürfte auch in der Unübersichtlichkeit gerade der Vielzahl privatwirtschaftlicher Anbieter liegen, die als Klein- oder Kleinstunternehmen nicht systematisch als Weiterbildungsanbieter erfasst sind. Aber auch Bildungsangebote von Vereinen und Verbänden, die Weiterbildung für ihre Mitglieder oder zur Erfüllung von Vereinszwecken anbieten und von Tippelt et al. (vgl. 1996, S. 13) als dritte Weiterbildungsstruktur beschrieben werden, lassen sich kaum systematisch erfassen. Die vorliegenden Daten zu Weiterbildungsanbietern und -angeboten konzentrieren sich auf das Feld der mit öffentlichen Mitteln geförderten Einrichtungen und/oder auf die als Weiterbildungsunternehmen registrierten privatwirtschaftlichen Organisationen. Dabei kann keine der im Folgenden genutzten Studien und Datensammlungen Anspruch auf eine auch nur annähernd vollständige Erfassung der Anbieter- bzw. Angebotslandschaft erheben, was gerade angesichts des sehr diversen und unübersichtlichen Felds der Weiterbildungsanbieter wünschenswert wäre. Allerdings sind die genannten Teilbereiche (öffentlich geförderte und anerkannte privatwirtschaftliche Träger) in so großen Teilen erfasst, dass sich daraus zumindest für diese wesentlichen Bereiche der hessischen Weiterbildungslandschaft belastbare Aussagen ableiten lassen.

Für die Beschreibung der Entwicklung der hessischen Weiterbildungslandschaft wurden diejenigen Datensätze genutzt, die einige zentrale Kriterien erfüllen. Erstens müssen sie sich auf einen festgelegten Zeitraum (2015–2019) oder zumindest Teile davon beziehen. Zweitens müssen vergleichbare Daten für mehrere Zeiträume vorliegen, d. h., es müssen zumindest einige zentrale Indikatoren zu verschiedenen Zeitpunkten mit gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Verfahren erfasst worden sein. Und drittens ist für die Analyse von Entwicklungen auch wesentlich, dass die Längsschnittdaten zu verschiedenen Zeitpunkten in analoger Weise erhoben wurden und dabei auch die Stichprobenstruktur zu den unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten ähnlich angelegt ist.

Die genannten Voraussetzungen können letztlich für zwei Datenquellen als zumindest weitgehend erfüllt angesehen werden. Zum einen wird auf die Daten aus dem gemeinsam vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und dem vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) verantworteten wbmonitor (vgl. z. B. Christ et al. 2020) zurückgegriffen (Abschnitt 2). Die jedes Jahr bundesweit durchgeführte Befragung von Weiterbildungsanbietern basiert auf einer Stichprobenerhebung, deren Repräsentativität aufgrund fehlender Informationen zur Gesamtpopulation – also den oben beschriebenen Unklarheiten über die in einer Region insgesamt aktiven Weiterbildungsanbieter – allerdings nicht eingeschätzt werden kann. Zum anderen wird auf die Volkshochschul-Statistik (vgl. z. B. Huntemann et al. 2021) zurückgegriffen (Abschnitt 3), die als Vollerhebung eines spezifischen Segments der Weiterbildungslandschaft immerhin die am stärksten ausgebaute und auch flächendeckend vorhandene Weiterbildungsstruktur in Hessen vollständig erfasst. Abschließend diskutiert und reflektiert der Beitrag die aus beiden Quellen gewonnenen Befunde.

2 Entwicklung 2015 bis 2019 im Spiegel des Weiterbildungsmonitors

Mit den Daten aus dem wbmonitor lassen sich – in Analogie zum Geschäftsklima­index der deutschen Wirtschaft (vgl. Abberger et al. 2007) – die Einschätzungen von Weiterbildungsanbietern in unterschiedlichen Regionen zur aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Lage abbilden. Darüber hinaus geben die Daten auch Informationen zum Angebotsumfang und zu Teilnehmendenzahlen, die jährlich in einer Zufallsstichprobe von Weiterbildungseinrichtungen erfasst werden. Für die hier vorgenommene Sonderauswertung wurden die Daten aus den Erhebungen des wbmonitors für die Jahre 2015 bis 2019 genutzt. Die Daten bieten einerseits die Möglichkeit, hessische Weiterbildungseinrichtungen mit den entsprechenden Anbietern in der Bundesrepublik insgesamt zu vergleichen. Andererseits lassen die Daten auch weitere regionale Differenzierungen innerhalb der Regionen Hessens sowie den Vergleich verschiedener Anbietertypen zu. Die Grenzen liegen dabei in der Stichprobengröße, die nicht nur zwischen Jahren, Regionen und Anbietertypen variiert, sondern in einzelnen Teilstichproben zu gering für verwertbare Analysen wird. Im Folgenden wurden daher alle Teilstichproben, die weniger als zehn Einrichtungen umfassen, nicht eigenständig ausgewertet. Bei Teilstichproben unter 20 Einrichtungen wurden – so weit möglich – über mehrere Jahre aggregierte Daten verwendet.

Die im wbmonitor erhobenen Einschätzungen zur wirtschaftlich-konjunkturellen Lage der Anbieter – in der Studie als Klimawert bezeichnet – sind ein wesentlicher Indikator für die gegenwärtige Situation und die Erwartungen an die unmittelbare Zukunft. Die Entwicklung des Klimawerts für die hessischen Bildungsanbieter verweist zwar auf jahresbezogene Schwankungen, gleichzeitig aber auf eine hohe Konstanz z. B. hinsichtlich regionaler Disparitäten. Zum Zeitpunkt der Analysen standen die Daten des wbmonitors 2020 noch nicht für eine Sekundäranalyse zur Verfügung. Aufgrund der 2020 einsetzenden Coronabeschränkungen ist aber von einem starken Abfall des Klimawerts auszugehen.

Für einen Vergleich der Situation hessischer Weiterbildungseinrichtungen mit Anbietern der Bundesrepublik insgesamt wurden aus den beiden fünfstufigen Skalen zum Klimawert jeweils die Mittelwerte gebildet. Die dabei auffällig größeren Schwankungen in den hessischen Daten sind nicht zuletzt auf die kleinere Stichprobe zurückzuführen, die in den verschiedenen Jahren zwischen 119 und 144 Weiterbildungsanbieter in Hessen umfasst. In den Jahren 2016 und 2018 liegt der hessische Klimawert deutlich unter dem für Gesamtdeutschland (siehe Abbildung 1), in den anderen Jahren sind die Werte annähernd gleich. Die Erwartungen an das Folgejahr sind hingegen über die Jahre hinweg mit dem bundesdeutschen Durchschnitt vergleichbar, sodass nicht von einem grundlegend ausgeprägteren Pessimismus oder Optimismus hessischer Weiterbildungsanbieter im Vergleich mit Anbietern aus anderen Regionen Deutschlands auszugehen ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass im wbmonitor sowohl privatwirtschaftliche als auch öffentlich geförderte Träger abgebildet werden, sodass periodische Veränderungen sowohl gesamtwirtschaftlich als auch förderpolitisch bedingt sein können.

Abbildungen

Abbildung 1: Einschätzung von Weiterbildungseinrichtungen zur aktuellen konjunkturellen Lage1 (Quelle: LAKU 2022, S. 21)

Die Daten des wbmonitors lassen auch eine weitere regionale Differenzierung zu, die aufgrund dann sehr kleiner Stichproben allerdings nur eingeschränkt belastbar und mit Vorsicht zu interpretieren ist. Für Hessen lassen sich dabei fünf Raumordnungsregionen2 differenzieren, wobei Osthessen aufgrund zu kleiner Teilstichprobengrößen nicht weiter berücksichtigt wird. Im Fünfjahresdurchschnitt zeigen sich höhere Klimawerte für Mittel- und Nordhessen gegenüber dem Rhein-Main-Gebiet und Starkenburg, das die niedrigsten Klimawerte aufweist (siehe auch Tab. 1).

Tabelle 1: Einschätzung hessischer Weiterbildungseinrichtungen zur aktuellen und zukünftigen konjunkturellen Lage im Fünfjahresdurchschnitt

Mittelhessen

Nordhessen

Rhein-Main-Gebiet

Starkenburg

Klimawert aktuell

0,59

0,53

0,45

0,34

Klimawert in einem Jahr

0,49

0,50

0,44

0,23

Der Vergleich verschiedener Kategorien von Weiterbildungsanbietern innerhalb Hessens ist aufgrund der Größe der Teilstichproben nur bedingt möglich. Sichtbar wird in den Daten allerdings eine kritischere Einschätzung bei den freien Trägern (Einrichtung einer Kirche, Partei, Gewerkschaft, Stiftung, eines Verbandes oder Vereins) bezüglich der gegenwärtigen Lage sowie eine tendenziell skeptischere Sicht auf das Folgejahr im Vergleich zu den privaten Trägern. Während für private Einrichtungen – egal ob kommerziell (0,58/0,61) oder gemeinnützig (0,62/0,58) – im Fünfjahresdurchschnitt die höchsten Klimawerte zu finden sind, sind für Volkshochschulen (0,56/0,40) sowie wirtschaftsnahe Einrichtungen (Kammer, Innung, Berufsverband etc, 0,56/0,34) etwas weniger optimistische Einschätzungen für das Folgejahr zu finden. Bei den freien Trägern fallen sowohl die Werte für das laufende Geschäftsjahr (0,28) als auch für das folgende (0,16) deutlich skeptischer aus, was als eine generell etwas kritischere Einschätzung der Lage bei den freien Trägern gelesen werden kann.

Da sich an den Erhebungen des wbmonitors nicht jedes Jahr die gleichen Einrichtungen beteiligen und sich somit die Zusammensetzung der Stichproben in den je­weiligen Jahren unterscheidet, sind gerade Daten zur Quantität von Angeboten mit Vorsicht zu interpretieren. Mit Blick auf inhaltliche Schwerpunkte wären im Untersuchungszeitraum vor allem Veränderungen im Bereich „Sprachen und interkulturelle Kompetenz“ zu erwarten, da das seit 2015 erheblich ausgebaute Angebot von Integrationskursen in der Themenstruktur des wbmonitors in diesen Bereich fällt. Zumindest mit Blick auf den Anteil der in diesem Bereich in Hessen aktiven Anbieter weisen die Daten aber auf eine hohe Konstanz hin. Mit nur geringen Schwankungen liegt der Anteil der befragten Einrichtungen, die Angebote im Bereich der sprachlichen Bildung vorhalten, bei etwa 37 %. Die Daten legen nahe, dass der massive Ausbau von Integrationskursen vor allem von denjenigen Trägern und Anbietern gestemmt wurde, die bereits vorher Angebote im Bereich sprachlicher Bildung im Portfolio hatten, was auch mit den Zulassungskriterien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) korrespondiert. Auf Bundesebene ist dennoch zumindest zwischen 2015 und 2016 ein Zuwachs des Anteils von Anbietern, die Sprachen und interkulturelle Kompetenz als Teil ihres Angebots sehen, von 40 % auf 45 % zu verzeichnen. Für die hessische Weiterbildungslandschaft wie bundesweit zeigt sich für das Anbieterspektrum im Bereich der Grundbildung, der im Zuge der AlphaDekade auch verstärkt durch öffentliche Mittel gestützt wurde, eine hohe Stabilität. In Hessen blieb auch hier der Anteil derjenigen Anbieter, die angaben, in diesem Feld aktiv zu sein – mit unsystematischen Schwankungen zwischen 15 % und 17 % –, weitgehend konstant.

3 Die Entwicklung der hessischen Volkshochschulen 2015 bis 2019

Für die Volkshochschulen liegen – im Gegensatz zu anderen Bereichen der Erwachsenenbildung – flächendeckend statistische Daten vor, die vor allem Angaben zur Finanzierung, zu Angebotsstrukturen und zu Teilnehmenden umfassen. Für die folgenden Auswertungen wurden analog zum wbmonitor die Daten der 32 hessischen Volkshochschulen für die Jahre 2015 bis 2019 genutzt, wobei sich allerdings zwischen 2017 und 2018 die Struktur der Daten teilweise so verändert hat, dass sich die Daten von 2015 bis 2017 für manche Teilbereiche nicht bruchlos fortschreiben lassen. Daher konnten z. B. die an die 32 Volkshochschulen geflossenen Landesmittel nur auf der Ebene der Bezuschussung des regulären Angebots (gesetzliche Förderung), nicht aber im Rahmen der Projektförderung identifiziert werden, wo sie in der Rubrik „sonstige“ inkludiert sind.

Hinsichtlich der Entwicklung der Finanzsituation der hessischen Volkshochschulen wird ein institutioneller Aufwuchs einerseits und ein erheblicher Zuwachs an Projektmitteln durch das BAMF (hier als Teil der Bundesmittel) im Kontext von Integrationskursen andererseits sichtbar. Während der Zuwachs an institutioneller Förderung von über 30 % vor allem auf ein verstärktes Engagement der Gemeinden zurückzuführen ist, ist auf Landesebene zwar auch ein Zuwachs sichtbar, der in der Gesamtfinanzierung aber eine eher nachrangige Rolle spielt. Ähnliches gilt für die Projektmittel, die 2015 für Bund und „sonstige“ (einschließlich Landesmitteln) etwa gleich hoch waren. Die Bundesmittel haben sich im Zuge der Migrationswellen 2015 und 2016 innerhalb von zwei Jahren allerdings fast verfünffacht.

Der prozentuale Anteil von Bundesmitteln an der den hessischen Volkshochschulen zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel ist seit 2015 deutlich von 12,5 % auf knapp 30 % gestiegen (siehe Tab. 2), was angesichts der beschriebenen Entwicklung nicht überrascht. In der Folge bezogen die Volkshochschulen zeitweise ein Drittel ihrer Zuschüsse aus Bundesmitteln, ohne dass in diesem Zeitraum die anderen Mittel nominal zurückgegangen wären.

Tabelle 2: Bezuschussung der hessischen Volkshochschulen aus öffentlichen Mitteln nach Anteil der jeweiligen Mittelgeber. Quelle: LAKU 2022

Regelförderung

Projekt- und Auftragsmittel

Gemeinde(n)

Kreis(e)

Land

SGB-Mittel

Bundes­mittel

EU-Mittel

sonstige Einnahmen

2015

34,8 %

20,8 %

10,0 %

7,4 %

12,5 %

1,2 %

13,2 %

2016

29,8 %

13,9 %

8,2 %

7,5 %

26,8 %

1,5 %

12,2 %

2017

26,6 %

12,0 %

8,2 %

4,8 %

35,1 %

1,5 %

11,7 %

2018

25,6 %

13,4 %

8,4 %

5,5 %

35,2 %

2,0 %

9,8 %

2019

30,1 %

15,1 %

8,0 %

5,3 %

29,7 %

1,1 %

10,8 %

Der Zuwachs an Fördermitteln zwischen 2015 und 2019 kompensiert vor allem die gestiegenen Personalkosten, insbesondere durch schrittweise angepasste Honorare für Dozierende. Betrachtet man die Summe aller Kurse an den 32 hessischen Volkshochschulen, so ist für den betrachteten Zeitraum keine signifikante Zunahme erkennbar, sondern die Zahlen schwanken unsystematisch zwischen 38.155 und 39.082 Angeboten pro Jahr. Bei den Teilnehmendenzahlen ist bis 2018 eine steigende Tendenz erkennbar (von 401.542 im Jahr 2015 bis 419.567 im Jahr 2018), die 2019 aber wieder zurückgeht (406.013), was auch an in dieser Phase (vor Beginn des Kriegs in der Ukraine) rückläufigen Zahlen in den Integrationskursen liegen könnte. Eine sichtbare Expansion lässt sich mit Blick auf die Zahl der Unterrichtsstunden erkennen, die zwischen 2015 (1.129.115) und 2018 (1.370.772) um 21,4 % gestiegen ist, aber analog zur Zahl der Teilnehmenden 2019 wieder geringer ausfällt (1.269.018). Diese Zahlen spiegeln sehr deutlich die Entwicklung der Integrationskurse wider, welche sich als verhältnismäßig zeitintensive Angebote vor allem in der Zahl der Unterrichtsstunden niederschlagen. Die nur moderate Steigerung der Teilnehmendenzahlen und die weitgehende Konstanz der Anzahl von Kursen könnten aber auch ein Hinweis darauf sein, dass parallel zum Ausbau der Integrationskurse in anderen Angebotsbereichen weniger Teilnehmende erreicht und Unterrichtseinheiten realisiert wurden (vgl. auch Käpplinger 2020).

Betrachtet man die relative Entwicklung der verschiedenen Programmbereiche, so zeigt sich für den Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ (DAF) bis 2018 ein Zuwachs der Unterrichtsstunden von fast 50 %, bevor diese 2019 wieder etwas zurückgehen. Die Unterrichtsstunden im kleinsten Bereich „Gesellschaft – Politik – Umwelt“ brechen zwischen 2015 und 2016 mit einem Minus von über 40 % deutlich ein und verbleiben dann auf diesem niedrigen Niveau. Erst zwischen 2018 und 2019 ist hier wieder ein leichter Zuwachs erkennbar. Kontinuierlich rückläufig sind die Zahlen in den Bereichen „Kultur – Gestalten“ (ca. 18 % im Fünfjahreszeitraum) und „Arbeit – Beruf“ (über 60 % im Fünfjahreszeitraum). Der Bereich „Grundbildung – Schulabschlüsse“ zeigt – ähnlich wie der Programmbereich „Sprache“ (ohne DAF) – eine diskontinuierliche Entwicklung der Unterrichtsstunden. Innerhalb des Bereichs „Grundbildung – Schulabschlüsse“ sind allerdings vor allem Kurse zum Nachholen von Schulabschlüssen für den Großteil der Unterrichtsstunden verantwortlich, sodass die Daten hier nur sehr bedingt die Entwicklungen im Bereich anderer Grundbildungsangebote widerspiegeln.

4 Diskussion

Die Entwicklung des hessischen Weiterbildungssystems zwischen 2015 und 2019 ist zumindest im Bereich der Volkshochschulen geprägt durch die großen gesellschaftlichen Herausforderungen in Verbindung mit der Flucht vieler Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland und deren Beschulung in sogenannten Integrationskursen. Dass der erforderliche massive Ausbau durch erhebliche Fördermittel des BAMF nicht zu einer Stärkung anderer Angebotsbereiche geführt hat, wurde bereits auf Basis der bundesweiten VHS-Statistik gezeigt (vgl. z. B. Käpplinger & Reuter 2019; Käpplinger 2020; Martin et al. 2020). Auch wenn die BAMF-Mittel in Hessen prozentual einen besonders hohen Anteil an der Volkshochschulfinanzierung ausmachen, handelt es sich doch um kein regionales Phänomen. Wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung und mit kleineren zeitlichen Verschiebungen, hat der Anteil an Bundesmitteln bzw. Mitteln aus dem BAMF in allen Bundesländern zwischen 2016 und 2019 deutlich zugenommen, wie die Daten der Volkshochschulstatistik zeigen (vgl. Schmidt-Hertha 2022). Gleichzeitig ist die Frage, inwieweit zwischen dem Ausbau des DAF-Bereichs und dem Rückgang der Angebote in anderen Themenbereichen ein kausaler Zusammenhang besteht, noch nicht befriedigend geklärt.

Wichtig scheint hingegen festzuhalten, dass in Hessen – wie in vielen anderen Bundesländern – die Erwachsenenbildung eine Schlüsselrolle hinsichtlich der gesellschaftlichen Integration von Geflüchteten übernimmt und die Finanzierung der Volkshochschulen – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Fluchtbewegungen – sich wohl auch mittelfristig zu einem deutlich höheren Anteil aus Bundesmitteln speist. Dies dürfte nicht ohne Folgen für das strukturentwickelnde Potenzial von Förderprogrammen und Governance-Rollen von Ländern und Kommunen bleiben.

Anders als die der Volkshochschulstatistik basieren die Daten des wbmonitors auf einer für Regionalanalysen verhältnismäßig kleinen Stichprobe und die Ergebnisse müssen entsprechend vorsichtig interpretiert werden. Allerdings bestätigen und verdeutlichen die innerhalb Hessens deutlich variierenden Konjunkturklimaindizes der Weiterbildungsanbieter die starken regionalen Disparitäten, die auch in den Teilnahmequoten und anderen Kennzahlen deutlich werden (vgl. LAKU 2022). Es ist davon auszugehen, dass derartige regionale Ungleichgewichte sich auch in anderen Bundesländern zeigen, zumindest deuten die Analysen des Weiterbildungsatlas (Martin et al. 2021) darauf hin. Gleichzeitig werden hier die Grenzen der Datenlage für ein regional differenziertes Weiterbildungsmonitoring deutlich sichtbar, und auf Landes- wie Bundesebene wären Initiativen zum Ausbau der Dateninfrastruktur in diesem Bereich mehr als wünschenswert und könnten auch wesentliche Impulse für die Regionalentwicklung liefern.

Für die Weiterbildungsforschung bedeutet die aktuelle Datenlage, dass sich in den vorhandenen Daten einige plausible und theoretisch begründete bzw. aus gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen heraus anzunehmende Veränderungen z. T. abbilden und nachvollziehen lassen. Gerade differenziertere Analysen und eine belastbare Prüfung konkurrierender Annahmen und Hypothesen sind aufgrund der Datenlage aber allenfalls mit starken Restriktionen möglich. Für Regionalanalysen werden diese Begrenzungen in besonderer Weise spürbar, wenn der Auflösungsgrad, den die vorhandenen Daten zulassen, keine kleinräumige Differenzierung zulässt bzw. das nur für ein bestimmtes Anbietersegment (hier vor allem die Volkshochschulen) erlaubt. Aktuell kann wohl keiner der vorhandenen Datensätze für sich reklamieren, die gesamte Anbieterstruktur einer Region repräsentativ abzubilden. Genau das aber wäre nötig, um die Entwicklung von Anbieter- und Angebotsstrukturen in einer Region zu beobachten und zu verstehen und damit auch die Möglichkeit zu haben, die Wirksamkeit förderpolitischer Initiativen in Relation zu anderen Entwicklungen im Feld zu verstehen.

Positiv hervorzuheben ist hingegen, dass mit dem regelmäßig zu erstellendem und auch gesetzlich verankertem Weiterbildungsbericht für Hessen eine Struktur geschaffen wurde, die der Bedeutung eben eines solchen kontinuierlichen regionalen Weiterbildungsmonitorings Rechnung trägt. Auch wenn es sehr wesentliche Trends und Entwicklungen gibt, die auf die Weiterbildungslandschaft bundesweit Einfluss haben, so wirken sich diese doch z. T. regional sehr unterschiedlich aus, was auch mit unterschiedlichen Weiterbildungsstrukturen z. B. auf Bundeslandebene im Zusammenhang steht. Mit dem in Hessen bereits etablierten Verfahren der Weiterbildungsberichterstattung wird ein erster Schritt in Richtung eines Weiterbildungsmonitorings getan, das ebenso bedeutsam für Politik und Wissenschaft wie ausbaubedürftig ist.

Literatur

Abberger, K., Flaig, G. & Nierhaus, W. (Hrsg.) (2007). Ifo-Konjunkturumfragen und -Konjunkturanalyse. Ausgewählte methodische Aufsätze aus dem Ifo-Schnelldienst. München: ifo-Institut.

Christ, J., Koscheck, S., Martin, A., Ohly, H. & Widany, S. (2020): Digitalisierung. Ergebnisse der wbmonitor Umfrage 2019. Bonn: BIBB.

Huntemann, H., Echarti, N., Lux, T. & Reichart, E. (2021). Volkshochschul-Statistik. 58. Folge, Berichtsjahr 2019. Bielefeld: wbv Publikation.

Käpplinger, B. (2020). Modernisation of organisations due to migration? Mixed blessings in adult education centres in Germany. European Journal for Research on the Education and Learning of Adults 11(3), 293–308.

Käpplinger, B. & Reuter, M. (2019). Verschiebung bei Personal- und Programmstrukturen an Volkshochschulen. Exploration der Volkshochschulstatistik und Forschungsdesiderate. Hessische Blätter für Volksbildung 69(2), 142–150.

LAKU – Landeskuratorium für Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium. (2022). Weiterbildungsbericht Hessen 2021. Wiesbaden. https://kultusministerium.hessen.de/infomaterial/weiterbildungsbericht-hessen-2021

Landeskuratorium für Weiterbildung und Lebensbegleitendes Lernen in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium. (2016). Weiterbildungsbericht Hessen 2015. Wiesbaden.

Martin, A., Granderath, J. S. & Rüber, I. E. (2020). Course Profiles and Participation in German Adult Education Centers During Times of Migration: A Longitudinal Study. Adult Education Quarterly 71(2), 184–204.

Martin, A., Schoenmann, K. & Schrader, J. (2021): Deutscher Weiterbildungsatlas 2019. Kreise und kreisfreie Städte im Längsschnitt. Bielefeld: wbv Publikation. http://www.die-bonn.de/id/41462

Schmidt-Hertha, B. (2022). Krisen als strukturverändernder Impuls: Migrationsbewegungen zwischen 2012 und 2019 im Spiegel der Volkshochschul-Statistik (unveröffentlichter Vortrag im Rahmen der Sektionstagung Erwachsenenbildung, gehalten am 16.09.2022 in Flensburg).

Tippelt, R., Eckert, T. & Barz, H. (1996). Markt und integrative Weiterbildung. Zur Differenzierung von Weiterbildungsanbietern und Weiterbildungsinteressen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Autor

Bernhard Schmidt-Hertha, Prof. Dr., Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch das Peer-Review und die Redaktionskonferenz am 10.11.2022 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication after qualitative peer review and editorial meeting on 10th of November 2022.

Der Klimaindex des wbmonitors wird in Analogie zum Ifo-Geschäftsklimaindex wie folgt berechnet: „Es werden jeweils die prozentuierten Differenzen von positiven und negativen Urteilen zur gegenwärtigen Lage bzw. zur zukünftigen Erwartung gebildet und entsprechend der im Jahr 2007 erteilten Unterrichtsstunden gewichtet. Der Klimawert wird als geometrisches Mittel aus diesen Salden errechnet. Er kann zwischen -100 und + 100 schwanken; höhere Werte stehen für eine bessere Stimmungslage.“ (https://www.bibb.de/dokumente/pdf/wbmonitor_umfrage-2008_ergebnisbericht.pdf)