Editorial

Durch die Coronavirus-Pandemie haben sich die Lebens- und Arbeitsrealitäten vieler Menschen in kürzester Zeit radikal verändert. Eine Vielzahl bisher bewährter gesellschaftlicher und individueller Prozesse haben sich als nicht mehr umsetzbar gezeigt und erfuhren eine Verdichtung, Auflösung oder Anpassung. Die Menschen selbst, aber auch die Organisationen, in denen sich die Menschen bewegen, sind plötzlich und unvermittelt dazu aufgerufen, gewohnte Verhaltensweisen zu revidieren, um neue Lösungen zu finden. Die bereits seit Längerem in ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft und deren Organisationen diskutierten Megatrends – wie z. B. Digitalisierung, New Work oder der demografische Wandel – werden zudem durch die Coronavirus-Pandemie noch einmal verstärkt und in ihren Wirkmechanismen verändert. In besonderer Weise gilt dies auch für Bildungseinrichtungen: Denn jene sind elementar auf den Austausch und das Miteinander von Menschen angewiesen, um kooperativ das „Produkt Bildung“, in Form einer gemeinsamen Suchbewegung, welche immer wieder aufs Neue herzustellen ist, zu realisieren. Angesprochen sind damit Bildungseinrichtungen aller Couleur, vor allem aber auch Volkshochschulen, welche traditionell ein breites Angebot für eine möglichst große und vielfältige Zahl an Menschen bereithalten. Neben beruflicher Bildung stehen hier insbesondere Persönlichkeitsbildung, Partizipation und Demokratiefähigkeit im Mittelpunkt individueller Lernziele, die vor allem dialogisch und kommunikativ erarbeitet werden. Genau das aber ist gegenwärtig durch die Pandemie erodiert und muss(te) von den Volkshochschulen und ihren Verbänden neu gestaltet und begleitet werden. Volkshochschulen sind Kulminationspunkt gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, indem sie auf der einen Seite durch ihre Bildungsarrangements den Menschen und der Gesellschaft ein Angebot geben, den Wandel produktiv zu bearbeiten. Auf der anderen Seite sind Volkshochschulen wie angedeutet selbst Wandlungsprozessen ausgesetzt und stehen somit vor der Herausforderung, sinnvolle organisationale Bearbeitungsweisen zu finden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, weshalb das vorliegende Themenheft auf Volkshochschulen und deren Bildungsmanagement einen besonderen Schwerpunkt legt, dabei unterschiedliche Problemlagen, Übergänge, organisationale Passagen oder Wandlungen von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen in den Blick nimmt und zugleich Impulse für alle Bildungseinrichtungen bereithält.

Grundsätzlich kann Bildungsmanagement von unterschiedlichen Perspektiven, Disziplinen, mit divergierenden Zielen und in unterschiedlichen Logiken betrachtet und gefasst werden. In einer weiten Auffassung wird Bildungsmanagement verstanden als ein Möglichkeitsraum, in dem „Lern- und Bildungsangebote in einem Organisationsrahmen durch effektiven Mitteleinsatz in guter Qualität geplant, organisiert, durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen werden“ (von Felden 2010, S. 46) können. Ein auf das organisationale Lernen bezogenes, engeres Verständnis konkretisiert Bildungsmanagement hingegen als „die zentrale Leistung ‚lernender Systeme‘, mit der angemessen auf System-Umwelt-Dynamiken reagiert werden kann“ (Gütl & Orthey 2006, S. 17). Bildungsmanagement-Praxis orientiert sich demnach an Referenzfeldern wie der Organisation, den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern oder den Kundinnen/Kunden und versucht zudem, aktuelle Gegebenheiten (Ressourcenverfügung, Kompetenzprofile, organisationale Rahmenbedingungen, Erwartungen der Anspruchsgruppen etc.) so zu bearbeiten, dass neben der erfolgreichen Realisierung von Bildungsangeboten und dem individuellen Lernen der Mitarbeitenden auch sichergestellt ist, dass organisationale Weiterentwicklung gefördert wird. Zentrale Auslöser bildungsmanage­mentbezogener Interventions- und Handlungsnotwendigkeiten sind insbesondere die organisationalen Wandlungsprozesse, wie sie klassischerweise in den Feldern Bildungsbetriebsmanagement oder Bildungsprozessmanagement stattfinden.

Das Themenheft folgt einer querliegenden Logik, welche es ermöglicht, die beiden Linien aufzunehmen, vor allem aber dazu dienen soll, Bildungsmanagement vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Umwälzungen aus organisationaler Perspektive zu erschließen. Im Zentrum stehen dabei neben theoretischen Perspektiven auch Fragen nach konkreten, praxisbezogenen Umsetzungsvarianten. Die Überlegungen und Beiträge schließen an die Trias aus „Bildungsmanagement“, „(Weiterbildungs-)Organisation“ und „Wandel/Übergänge“ an, wobei das Heft darauf abzielt, diese drei Aspekte so zusammenzubringen, dass das Thema des Wandels gewissermaßen als Anker und roter Faden fungiert. „Wandel“ als Gestaltungs- und Bearbeitungsaufgabe für das organisationale Bildungsmanagement wird z. B. beim Generationenwechsel des Weiterbildungspersonals virulent oder auch beim Übergang zu digitalen Bildungsangeboten sowie in Bezug auf eine Post-Corona-Situation (Wiedergewinnung von Teilnehmenden etc.) bedeutsam. Verschiedene gesellschaftliche Wandlungen haben Einfluss auf Akteurinnen und Akteure sowie auf Organisationen. Dabei verändert sich nicht nur das Lehren, Lernen oder Managen, sondern auch die Unternehmenskulturen, Entscheidungsprozesse oder die Gestaltung von persönlichen und organisationalen Passagen, die spontan oder strategisch zu bewältigen und zu meistern sind. Neben einer theoretischen Grundlegung auf das Thema des Wandels in Organisationen unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungsprozessen werden agile Organisationen, digitale Prozesse und Plattformen sowie die Unterscheidung von organisationalem und individuellem Lernen in den Blick genommen. Im Kern geht es u. a. um folgende Fragen:

  • Welche Wandlungsprozesse werden für das organisationale Bildungsmanagement relevant?
  • Zu welchen strukturellen, strategischen, kulturellen und/oder programma­tischen Auswirkungen führen die Wandlungen als Auslöser?
  • Inwiefern stehen den Steuerungsakteuren spezifische Handlungsmodi zur Bearbeitung/Lösung zur Verfügung?

Vor diesem Hintergrund wird aus der Theorie mit einem Blick in, auf und aus agilen Organisationsstrukturen begonnen: Madeline Lockstedt arbeitet unter Bezugnahme auf systemtheoretische Annahmen heraus, dass (Weiterbildungs-)Organisationen über Strukturen verfügen, welche es erlauben, auf verschiedene oben genannte Herausforderungen zu reagieren. Im Anschluss auf diesen eher grundlegenden Blick auf das Thema richtet Matthias Alke in seinem Beitrag den Fokus auf die Bedeutung digitaler Plattformen. Dabei greift er digitale Plattformen als Organisationskonzept heraus, um vor dieser Folie dann aus governance-theoretischer Perspektive Koordinationsformen und Steuerungsmechanismen zu analysieren, welche durch digitale Plattformorganisationen entstehen. Heinke Röbken und Marcel Schütz nehmen dies auf bzw. führen es weiter und fragen nach der Bedeutung veränderter Nachfrage, digitaler Möglichkeiten und demografischer Wandlungen. Darin markieren sie zum einen generelle Herausforderungen des Bildungsmanagements, bündeln ihre Überlegungen aber, indem sie aus entscheidungstheoretischer Perspektive Chancen und Grenzen einer organisatorischen Transformation von Weiterbildung offenlegen. Annabell Jenner verortet – im den theoretischen Teil abschließenden Beitrag – Übergänge als zwischen dem organisationalen Wandel und der Professionalitätsentwicklung der Mitarbeitenden liegend. Durch diese Stellung in einem Zwischenfeld wird der thematische Übergang des Hefts selbst in den praktischen Teil vorbereitet.

Der Blick in die Praxis beginnt mit einem Interview mit Klaus Meisel, welches zum einen vielfältige Anknüpfungspunkte zur Theoriearbeit bereithält, aber vor allem auch das praktische Feld diskutiert sowie aus einer praktischen Perspektive heraus nochmals und gründlich über Bildungsmanagement, dessen Herausforderungen, Chancen und Begrenzungen nachdenkt. Im Anschluss daran fokussiert Markus Bassenhorst in seinem Beitrag aus der Sicht eines VHS-Leiters den praktischen Prozess der Gestaltung von Übergängen und verdeutlicht diese Notwendigkeit und Herausforderung anhand von generationalen Wechseln und Übergängen. Den praktischen Teil abschließend stellen Maresa Getto, Ulrike Maier und Mareike Schams Bildungsmanagement als Aufgabe und aus Perspektive des Volkshochschulverbandes Rheinland-Pfalz vor und markieren dabei Thesen, welche zum Weiterdenken anregen und dabei besonders eine praxisbezogene Perspektive auf digitale Transformationen offenlegen.

Gute Lektüre und spannende Impulse wünschen Timm Feld und Sebastian Lerch!

Autoren

Timm C. Feld, Dr., Leitung der Volkshochschule der Stadt Wetzlar.

Sebastian Lerch, Prof. Dr., Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.